1. Rahmenbedingungen für ein Baumkataster

1.2 Funktionalitäten eines Baumkatasters

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Der erhebliche Aufwand, ein digitales Baumkataster aufzubauen, rechtfertigt sich durch anschließende Arbeitserleichterungen und den Zugewinn von Funktionalitäten z.B. in Bezug auf Auswertungen, Arbeitsplanungen bei Maßnahmen zur Baumpflege und zur Gefahrenabwehr (Verkehrssicherheit) und hinsichtlich der Datenfortschreibung. Mit einem digitalen Baumkataster wird zudem die Kostentransparenz bei der Baumpflege erhöht, wobei stets auch das Ziel im Auge zu behalten ist, eine qualitativ hochwertige Baumkontrolle und Baumpflege sicherzustellen und die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.


1.2.1 Dateneingabe

· Benutzeroberfläche und Eingabeformulare:
Eine grafische Benutzeroberfläche erlaubt dem Anwender auf komfortable Weise, mit dem Datenbanksystem zu arbeiten. Eine klare thematische Gliederung erleichtert die Eingabearbeit. Dabei helfen bedarfsorientiert gestaltete Eingabeformulare, um routiniert mit dem System umzugehen. Auswahllisten und Kataloge, z.B. der Baumarten oder der Straßennahmen, erleichtern die Dateneingabe, schließen Tippfehler aus und erzeugen so standardisierte Einträge.

· Plausibilitätskontrollen und Gültigkeitsprüfungen :
Plausibilitätskontrollen helfen, Fehler zu vermeiden. Dazu können dem System Wertebereiche vorgegeben werden, die festlegen, dass bestimmte Einträge nicht akzeptiert werden und stattdessen eine Fehlermeldung erscheint.

· Automatisierte Ableitung von Daten :
Eine Datenbank bietet die Möglichkeit, aus vorhandenen Daten neue Informationen zu generieren. Z.B. kann das Baumalter aus dem Pflanzjahr berechnet werden oder der nächste fällige Termin einer Baumkontrolle über den Kontrollzyklus. In der Praxis haben sich diese automatischen Einträge jedoch nicht für fachliche Parameter bewährt, weil verbleibende Unwägbarkeiten ohnehin nur durch den Fachmann entschieden werden können.

· Hilfesystem für technische und fachliche Fragen :
Die Hilfesysteme sollten sowohl datenbanktechnische wie fachlich-inhaltliche Hilfe bieten und den Bedürfnissen der zukünftigen Anwender entsprechen. Ggf. ist ein Lernprogramm integriert.

· Aktualisierungen und Korrekturen
Die wesentlichen Vorteile eines Datenbanksystems zeigen sich, wenn Daten aktualisiert oder korrigiert werden sollen. Mit geringem Aufwand sind die jeweiligen Sachstände abzufragen und mit einem Mausklick lassen sich aktuelle Dokumente erstellen oder verknüpfte Abfragen, Berechnungen und Berichte anhand der neuesten Daten aktualisieren.


1.2.2 Abfragen und Berichte

Freie oder standardisierte Abfragen sind Kernfunktionen digitaler Baumkataster, um den vorhandenen Datenbestand auszuwerten. Dabei lassen Änderungen in den Auswahl- und Sortierungskriterien unterschiedliche Fragestellungen zu. Abfragen können i.d.R. nach einzelnen Parametern wie Straße, Pflegebezirk, Baumart oder Schadensart, oder nach kombinierten Parametern wie Pflegebezirk und Maßnahme, aufgebaut werden. In den Ergebnisdatensätzen werden entweder alle Datensätze mit den gewünschten Attributen listenförmig zusammengestellt oder auch Summenwerte gebildet, z.B. die Anzahl gefällter Bäume je Stadtbezirk. Ein Export in gängige Tabellenkalkulationsprogramme wie MS Excel ist häufig Standard, um die Ergebnisse dort weiterzubearbeiten oder Diagramme zu erstellen. Ist die Fachdatenbank mit einem GIS gekoppelt, so lassen sich die Abfrageergebnisse auch grafisch darstellen. Hilfreich ist diese Funktion insbesondere, wenn räumliche Verteilungsschwerpunkte ermittelt und konkrete Baumstandorte im Rahmen eines Auftrags dargestellt werden sollen.

Beispiele
In welchen Stadtbezirken sind besonders viele Bäume abgängig ?
Welche Bäume in einer Straße sollen aufgeastet werden ?

Berichte dienen dazu, die Abfrageergebnisse in einem ansprechenden Layout darstellen und drucken zu können. Gut aufbereitete Berichte bilden die Grundlage für Arbeitsaufträge an Externe oder den eigenen Regiebetrieb und können als vollständige Auftrags- oder Ausschreibungsunterlagen dienen, wenn sie entsprechend ausgestaltet sind.

Auswertungen ermöglichen :
die Dokumentation des Arbeitsstands zu beliebigen Zeitpunkten
die Vorbereitung der Baumkontrolle
die Vorbereitung von Pflegegängen und Einzelaufträgen
die jährliche Dokumentation des Baumbestandes
die Beantwortung von fachbezogenen Anfragen von Bürgern und Verwaltungen
Planungen zur Entwicklung des Baumbestandes

Häufig benötigte Abfragen können als Standardabfragen programmiert werden, die sich dann durch einen Menübefehl aktivieren lassen. Da es unmöglich ist, alle potenziell auftretenden Fragestellungen der Benutzer vorauszusehen, muss das System darüber hinaus einen Assistenten zur selbständigen Abfragendefinition (ad-hoc-Abfragen) bereitstellen. Ideal ist eine grafisch orientierte Abfrageassistenz, die jeden Arbeitsschritt beschreibt und keine SQL-Kenntnisse erfordert.

Ähnliche Funktionen sind für die Erstellung von Berichten mit Layout-Vorlagen empfehlenswert, wie sie z.B. von MS Word zur Erstellung von Verzeichnissen angeboten werden.

Beispiele für Abfragen, die Ergebnislisten erzeugen:
Bäume einer bestimmten oder mehrerer Zustandsstufen
Bäume einer Altersklasse
sämtliche noch nicht durchgeführten Maßnahmen je Straßenzug
sämtliche Maßnahmen, die eine bestimmte Baumkolonne erledigen soll
Vorschläge zur Fällung (Fälllisten)

Beispiele für Abfragen, die statistische Auswertungen (Berichte) erzeugen:
Gesamtbaumbestand, Veränderungen zum Vorjahr
Neupflanzungen und Ersatzpflanzungen
Hauptbaumarten verteilt auf Vitalitätsstufen
durchgeführte Maßnahmen nach Art und Stadtbezirken

Beispiele für Abfragen zu Einzelauskünften:
Wo befinden sich Bäume einer bestimmten Art im Stadtteil?
Wie alt sind die Bäume xy?
Wann wurde der Baum xy zum letzten Mal geschnitten?
Welche Schäden traten am Baum xy bisher auf?


1.2.3 Archivierung von Daten

Im Unterschied zur Datensicherung werden bei der Archivierung gezielt Archivkopien des Datenbestandes oder von Teildatenbeständen erstellt, die nicht durch aktuellere Daten überschrieben und auch nicht unaufgefordert gelöscht werden können. Die Datenarchivierung unterliegt einer gesetzlichen Aufbewahrungspflicht, durch die die Art der zu archivierenden Dokumente und deren Aufbewahrungszeit festlegt ist. Sie dient u.a. der Beweissicherung im Zusammenhang mit der Verkehrssicherungspflicht vor Gericht und hat zu diesem Zweck manipulationssicher zu erfolgen.

Die Archivierung von Daten kann auch auf konventionellem Wege über Papierausdrucke erfolgen. Solange die Technik sich schneller entwickelt, als die Menge des Datenbestandes, wird es wohl keine wirklichen Speicherplatzprobleme für eine systematische digitale Archivierung geben.
  • Ziele der Datenarchivierung sind die :
  • Dokumentation der Baumhistorie
  • Nachvollziehbarkeit von Pflegemaßnahmen
  • Archivierung von Kontroll-Ergebnissen und
  • Datensicherung.
Da ein großer Datenbestand die Leistungsfähigkeit des Baumkatasters mindert, kann ein Zeitraum festgelegt werden, nach dem bestimmte Informationen, z.B. zu gefällten Bäumen mit all ihren anhängenden Informationen, komplett gelöscht oder in ein eigenes Baumkataster-Archiv übernommen werden. Auch eine systematische Archivierung auf CD-ROM hat sich bewährt.


1.2.4 Einsatz tragbarer Computer

Der Einsatz leistungsstarker tragbarer Computer für die direkte Dateneingabe vor Ort hat sich in der Baumkontrolle vielfach bewährt, sodass diese Technik heute für digitale Baumkataster vorausgesetzt werden muss. Beim Einsatz der Pencomputer entfallen alle zeitaufwändigen Vorbereitungen, nachträgliche Eingabearbeiten und Datenübernahmen aus anderen Systemen, sofern im Gerät die aktuellen digitalen Karten sowie sämtliche Erfassungsformulare vorliegen.
Bei GIS-gestützten Lösungen hilft das Kartenfenster über freies Zoomen und das Verschieben der Ansicht, den gewünschten Kartenausschnitt zu wählen und sich räumlich zu orientieren. Neu aufzunehmende Bäume sollten bei GIS-Lösungen direkt im Kartenfenster gesetzt und deren Sachdaten über die entsprechenden Formulare aufgenommen oder gefällter Bäume gelöscht werden können. Dies verringert Fehler und sichert einen stets aktuellen Datenbestand. Ohne digitale Karte vor Ort erlauben Nummern an den Bäumen oder spezielle Baumtags, die zu Bäume eindeutig zu identifizieren.

    Bei entsprechender Hard- und Software erlaubt ein Pencomputer :
  • - die Aktualisierung der Katasterdaten vor Ort
  • - gute räumliche Orientierung durch frei wählbare Anzeigeoptionen
  • - direkten Zugriff auf Ergebnisse zurückliegender Kontrollgänge
  • - Auskunft über den Umsetzungsstand empfohlener Maßnahmen
  • - schnelle Verfügbarkeit der erfassten Daten
  • - vereinfachte Arbeitsabläufe durch weniger Zwischenschritte
  • - reduzierten Aufwand für die Vorbereitung von Erfassung und Kontrolle
  • - Vermeidung von Eingabefehlern
Zunehmend werden Gerätelösungen getestet, mit deren Hilfe vor Ort über Mobilfunk zur Datenbank eine Online-Verbindung hergestellt wird. Dazu müssen Soft- und Hardware speziell an die Einwahl in das gesicherte Intranet angepasst werden. Auch bei der online-Variante steht die gesamte Datenbank jederzeit vor Ort zur Verfügung. Auf Veränderungen des Baumbestandes kann so direkt am Objekt reagiert werden und eine Erfassung in die Datenbank erfolgen. Mögliches Hemmnis sind die bisher sehr zähen Zugriffszeiten, die gerade für das Massengeschäft Baumkontrolle sehr hinderlich sind.


1.2.5 Kopplung mit einem GeoInformationsSystem

Die grafische Darstellung der Baumstandorte kann sowohl analog über Papierkarten (z.B. Stadtkarten oder Flurkarten) als auch digital im GIS erfolgen, d.h. die räumlichen Daten können analog oder digital vorgehalten werden. Daraus ergeben sich zwei Varianten für die Konzeption eines digitalen Baumkatasters:
  • Rein digitales Baumkataster, d.h. Sachdatenbank und digitalisierte räumliche Daten, keine analoge Datenhaltung auf Papierkarten
  • Kombination von digitalem Baumkataster mit analogen Kartenwerken
Die Entscheidung, ob die räumlichen Daten analog oder in einem GIS abgelegt werden, hängt von dem verfügbaren Kostenrahmen sowie den gewünschten Funktionalitäten ab.
Digitale Kartenwerke erfordern einen höheren Standard der Hard- und Software und bei der Mitarbeiterschulung. Zudem fallen zusätzliche Kosten für die Datendigitalisierung an. Der Einsatz eines GIS hat jedoch den erheblichen Vorteil, dass Abfrageergebnisse auf einfache Weise visualisiert und mit anderen räumlichen Informationen wie Luftbildern gemeinsam dargestellt werden können. Dies erleichtert die Fachaufgabe, grenzt Fehlermöglichkeiten ein und kann zu erheblichen Einsparungen beitragen, weil sich z.B. Datenpflege und -fortschreibung vereinfachen. Die Verknüpfung der Sachdatenbank mit dem GIS wird über ein gemeinsames Datenfeld (z.B. die Baum-ID) von Sach- und GIS-Tabellen durchgeführt.

Daneben gibt es Baumkataster-Anwendungen, bei denen die digitalen Karten fester Bestandteil der Software sind. Für sie ist eine zusätzliche GIS-Software nicht erforderlich, um Baumstandorte oder Abfrageergebnisse auf dem Bildschirm grafisch darzustellen. Dies führt i.d.R. zu besserem Laufzeit-verhalten und es entfallen alle typischen Schnittstellenprobleme zwischen den verschiedenen Software-Produkten.


1.3 Genauigkeit der Daten

Die Genauigkeit der raumbezogenen Daten, hier der Baumstandorte, hat einen hohen Einfluss auf die Erfassungskosten und vergrößert den Pflegeaufwand. Damit lohnt es, den eigenen Anspruch an Lagegenauigkeit und Lagetreue zu klären.
Bei Grünflächenkatastern (GRIS), über die flächenbezogene Kosten berechnet werden, verfälschen schon geringe Erfassungsungenauigkeiten im Dezimeterbereich die Bilanzen. Für Baumkataster hat die Genauigkeit eine ganz andere Bedeutung. Im Rahmen der Baumkontrolle muss ein Baum eindeutig zu identifizieren sein. Dabei spielt es aber kaum eine Rolle, ob er 1,0m weiter rechts steht, als auf der Karte angezeigt. Die Einmessung der Bäume muss aber in jedem Fall so genau erfolgen, wie es das vorhandene Kartenmaterial und die räumliche Orientierung z.B. durch Hausecken zulassen. Die räumliche Entfernung zum Straßenkörper lässt sich auch mit Feldmethoden recht zuverlässig bestimmen.

Werden allerdings Katasterdaten für Bauplanungen herangezogen, die z.B. mit Aufgrabungen verbunden sind, können sich ungenau erfasste Standorte zu großen Problemen auswachsen und Wurzelverletzungen oder Zeitverluste zur Folge haben. Bei Baumassnahmen sollte daher in jedem Fall eine Erkundung vor Ort erfolgen, zumal sich über die Ausbreitung des Wurzelsystems von Bäumen auch bei genauer Einmessung keine zuverlässigen Aussagen ableiten lassen.


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