2. Aufbau und Einführung eines Baumkatasters

2.1 Planungsphase eines Baumkatasters

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In der Planungsphase erfolgen die grundsätzlichen Weichenstellungen. Sie sind zu einem späteren Zeitpunkt nur mit hohem Aufwand zu korrigieren. Noch bevor entschieden ist, ob das Baumkataster als fertiges Softwareprodukt beschafft oder in der eigenen Verwaltung entwickelt werden soll, ist festzulegen, welchen Anforderungen das künftige Kataster entsprechen muss.
Wegen der oft unterschätzten Bedeutung einer funktionierenden Systembetreuung sollte die Zuständigkeit für diese Aufgabe geklärt und deren Wahrnehmung sichergestellt werden. Ähnlich brisant ist die Frage, wer über die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen entscheidet.


2.1.1 Formulierung eines Anforderungsprofils

Wesentlicher Teil der Planungsphase ist die Formulierung eines Anforderungsprofils. Es stellt die Grundlage für die Arbeit des Datenbankentwicklers oder für die Beschaffung einer bestehenden Software dar.
Für die Konzeption der Datenbankstrukturen ist es notwendig, die Anforderungen an die Sach- und Geo-Daten und die Arbeitsprozesse genau zu formulieren, die durch das Kataster unterstützt werden sollen. Je präziser diese Aufgaben und die Ansprüche an die Nutzungsmöglichkeiten beschrieben sind, um so besser können die Erwartungen an das System erfüllt und die Kosten kalkuliert werden.
Soll z.B. die Baumkontrolle per Pencomputer erfolgen, können bei diesem Arbeitsgang auch die Basisdaten fortgeschrieben werden. Mit kalkulierbarem Mehraufwand lassen sich so zusätzliche Informationen - wie zum Baumumfeld - erfassen. Erfolgt dagegen die Fortschreibung der Katasterdaten nicht im Rahmen der regelmäßig durchzuführenden Baumkontrolle, muss mit zusätzlichem Zeitaufwand die turnusmäßige Aktualisierung der sich ändernden Parameter organisiert werden. Anhand der folgenden Kriterien können die jeweiligen Anforderungen an ein Baumkataster näher bestimmt werden.

Inhalt (Datenfelder)

Der Einsatz des Baumkatasters erfordert die genaue Erfassung der Bestandsdaten und die fortlaufende Aktualisierung. Dies wird durch eine Gliederung der Daten erleichtert. Einträge wie Baumart, Pflanzjahr und Pflanzstandort behalten ihre Gültigkeit und werden sinnvoller Weise zu einem Stammdatenbestand zusammengefasst.
Demgegenüber können sich die Zustandsdaten eines Baumes verändern. Sie werden aus praktischen Gründen gern nach Krone, Stamm sowie Stammfuß/Wurzel gruppiert erhoben. Für die zu erfassenden Parameter bietet z.B. die FLL-Richtlinie 'Baumkontrolle' die Grundlagen. Die Richtlinie befasst sich mit der Regelkontrolle, deren Definition, Beschreibung und Durchführung. Der erkannte Handlungsbedarf zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit sollte mit seiner jeweiligen Dringlichkeit nach einem Maßnahmenkatalog erfasst werden, der sich auf die ZTV-Baumpflege stützt. Dies erleichtert sowohl die Ausschreibung von Arbeiten, die Auftragsvergabe als auch die Verständigung mit den Ausführenden.
Der Umfang dieses Katalogs der Datenfelder bestimmt ganz wesentlich den Aufwand für Datenerfassung und Fortschreibung. Doch gerade die Datenerfassung ist beim Aufbau eines Baumkatasters der zeitlich, personell und finanziell gewichtigste Teil.
Wenn mehr als die tatsächlich benötigten, für die Aufgaben des Baumkatasters relevanten Daten aufgenommen werden, erhöht sich auch der Arbeitsaufwand für die Datenerfassung und der Aktualisierung; u.U. bis zu einer Datenflut, die ggf. nicht mehr bewältigt werden kann. Es wächst die Gefahr eines 'Datenfriedhofes' mit veralteten und aufgrund dessen nicht nutzbaren Daten. Grundsätzlich empfiehlt es sich deshalb, sich in einem Baumkataster auf die notwendigen Grunddaten und die ggf. gesetzlich geforderten Erfassungsparameter zu beschränken und nur um solche Anforderungen zu ergänzen, die den eigenen Arbeitsprozess unterstützen.

I.d.R. werden folgende Datenblöcke aufgenommen:
Stammdaten zum Baum (wie Art, Pflanzjahr, Standort)
Einstufung des Zustandes des Baumes (Vitalität / Schadstufe)
Beschreibung bestehender Schäden und Schadensursachen
Angabe der durchgeführten Kontrollen
Angabe der Maßnahmen (noch erforderliche und bereits durchgeführte)

Im Anhang werden beispielhaft mögliche Datenfelder aufgelistet.

Historienverwaltung

Aus rechtlichen Gründen ist der Nachweis der Baumkontrollen und die Darstellung der Entscheidungsabläufe von Bedeutung, die sogenannte Dokumentationspflicht.
Mit Hilfe einer Historienverwaltung innerhalb der Baumkatastersoftware lassen sich zurückliegende Ergebnisse der Baumkontrollen mit dem Zeitpunkt ihrer Erfassung manipulationssicher im System ablegen. Ohne diese Technik werden Datenfelder durch die jeweils aktuelleren Einträge ersetzt. Damit könnten im Schadensfall bei gerichtlichen Auseinandersetzung mit Geschädigten entscheidende Einträge überschrieben sein. Kann aber ein Amts- oder Organisationsverschulden nicht ausgeschlossen werden, so hätte dies sogar persönliche (Mit-) Haftung des Kontrolleurs zur Folge.
Die meisten Katasterlösungen bieten eine Historienverwaltung standardmäßig an.

Anbindung an ein GIS

Beim Einsatz eines GIS sind die grafische Darstellung und die Datenbank so miteinander zu verbinden, dass die Sachdaten zu einem bestimmten Baum von der GIS-Karte aus anzusteuern und Informationen über die gewünschten Bäumen abzurufen sind. Umgekehrt sollten die in der Datenbank ausgewählten Bäume jeweils grafisch dargestellt werden können und sich thematische Abfragen z.B. zu anstehenden Baumkontrollen in dynamischen Karten visualisieren lassen. Mittlerweile sind auch Produkte mit integrierter Kartendarstellung am Markt.
Stehen die räumlichen Informationen in dieser Weise auch auf den mobilen Computern im Zugriff, kann die Baumkontrolle erheblich erleichtert werden, indem z.B. die Orientierung im Gelände unterstützt wird.
Der Ausdruck thematischer Karten erleichtert die Auftragsvergabe erheblich und verdeutlicht für die Ausführenden den Inhalt des Auftrages.

Die Entscheidung über ein GIS-gestütztes Baumkataster bzw. welches GIS zu verwenden ist, wird häufig davon abhängen, ob in der Kommune bereits ein GIS im Einsatz ist. Trotz vorhandenen GIS kann es große Vorteile bringen, ein Baumkataster mit integriertem GIS einzusetzen. Die Effektivität der Erfassung vor Ort kann oft nur durch geeignete Spezialsoftware sichergestellt werden. Viel zu oft stößt man auf 'GIS-Fachschalen-Baumkataster', die sich - auf die schnelle programmiert - nicht immer als praxisgerecht erweisen.

Einbindung in ein übergreifendes Informationssystem

Mit einem Grünflächeninformationssystem (GRIS) kann die Steuerung der Pflege und Unterhaltung im Grünbereich unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten umfassend gesteuert werden. Ein solches GRIS kann aus verschiedenen Modulen bestehen wie Grünflächen-, Baum-, Spielplatzkataster oder KLR- sowie Internet-/Intranetauskunft-Modulen. Das GRIS kann darüber hinaus mit anderen Fachanwendungen (Liegenschaftsbuch, Kosten- und Leistungsrechnung) verknüpft sein. Das ermöglicht die Nutzung der Daten anderer Behörden.
Ein umfassendes Grünflächeninformationssystem ist komplexer, teurer, und anfälliger für Störungen der einzelnen GRIS-Komponenten als es ein leistungsfähiges, aber überschaubares Baumkataster ist. Insofern ist zu bedenken, ob auch wegen der besonderen Fachaufgabe 'Baumkontrolle zur Verkehrssicherheit' ein eigenständiges Baumkataster zunächst vorzuziehen ist. Sollen Daten mit anderen Systemen oder Komponenten getauscht oder Informationen übernommen werden, müssen entsprechende Schnittstellen geschaffen werden.
Auch wenn der Aufbau eines separaten Baumkatasters für sich genommen einfacher und kostengünstiger ist, kann die Einbindung in ein komplexes GIS andererseits auch wieder Synergieeffekte und einen zusätzlichen Informationsgewinn ermöglichen und somit dennoch eine attraktive Lösung sein.



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